Autorinnen und Autoren
Donnerstag, 18.30 Uhr, Burgbachkeller
Moderation: Michael Luisier
KATJA PETROWSKAJA
«Das Foto schaute mich an»
Suhrkamp, 2022
Katja Petrowskaja, 1970 in Kyiv geboren, hat nach ihrem literarischen Debüt «Vielleicht Esther» (2014) mit ihren Foto-Kolumnen in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» ihr eigenes Genre geschaffen, das kurze Prosa, Biografie, Zeitgeschichte und Form auf minimalem Raum verdichtet. Ob eine alte Frau im Kaukasus, die ein Sessellift in den Himmel trägt, das rauchvernebelte Gesicht eines Grubenarbeiters oder eine geisterhafte Pflanze – gerade weil sie alles persönlich nimmt, gewinnen ihre Texte eine ungeheure Kraft: Es gelingt ihr, den intimen Moment der Bestürzung oder des Staunens in Sprache zu verwandeln.
«Das Foto verlangte Stille, als würden Worte die Zerbrechlichkeit des Schauens verscheuchen.»
Katja Petrowskaja
Donnerstag, 20.30 Uhr, Burgbachkeller
PEDRO LENZ
CHRISTIAN BRANTSCHEN
«Primitivo»
Cosmos, 2020
Sommer 1982, Polo Hofer in der «Traube» in Wynau, im Publikum Charly, der Maurerstift, auch Laurence, «wo usgseht wi di jungi Simone Signoret». Charly dämmert es, dass er bei Laurence nicht landen kann. Da hilft nur ein Bad in der Aare und eine Flasche Bacardi. Tage zuvor ist sein Freund Primitivo gestorben, «dä aut Philosoph», geboren in Asturien, zeit seines Lebens Maurer. Samstags haben sie nicht nur über «d Büez», sondern auch über Bücher geredet. Weil Bücher, wie Primitivo sagt, «eim bim Nochedänke chöi häufe». Mit Lenz und Brantschen haben sich zwei Bühnenkünstler gefunden, die sich hervorragend ergänzen und das Publikum mit leisen Tönen und packender Spannung verführen.
«D Heimat chasch mit ere Frou vergliiche, di chasch ou nid eifach hurti vierzg Johr lang verlo und meine, we de vierzg Johr spöter zrüggchiemsch, sig si no die, wo d mou kennt hesch, und si heig uf di gwartet …»
Pedro Lenz
Freitag, 18.30 Uhr, Burgbachkeller
Moderation: Mariann Bühler
TABEA STEINER
«Immer zwei und zwei»
edition bücherlese, 2023
Tabea Steiner erzählt in ihrem zweiten Roman die Geschichte einer Frau, die sich unter grossen Anstrengungen aus einem freikirchlichen Umfeld befreit, sich von ihrem kontrollierenden Ehemann emanzipiert und mithilfe ihrer beiden Kinder und anderer Gefährt*innen den Versuch wagt, ein selbstbestimmtes Leben zu beginnen. «Immer zwei und zwei» besticht durch die klare Sprache und eine zuweilen fast szenische Schreibweise, die auch Ungesagtes sagbar machen kann. Tabea Steiner (*1981) hat Germanistik und Geschichte studiert. 2019 erschien ihr erster Roman «Balg», der für den Schweizer Buchpreis nominiert war.
«Und dass sie nicht gewusst habe, dass Natali in einer Freikirche sei. Es kommt mir vor, schrieb sie, als hätte mir bislang ein Stück von dir gefehlt.»
Tabea Steiner
Freitag, 20.00 Uhr, Burgbachkeller
Moderation: Theres Roth-Hunkeler
SYLVIE SCHENK
HERIBERT LEUCHTER
«Maman»
Hanser, 2023
Der neue Roman von Sylvie Schenk ist eine Annäherung an die eigene Mutter und eine schmerzhafte Abrechnung: 1916 geboren, war sie angeblich eine Seidenarbeiterin, wie schon die Urgrossmutter. Aber stimmt das? Welche Geschichte wird den Nachkommenden mit auf den Weg gegeben? Als Kind leidet Sylvie Schenk unter dieser Unklarheit, als Schriftstellerin prägt sie diese Unklarheit als Unruhe. Mit poetischer Präzision spürt sie den Fragen nach, die die eigene Familiengeschichte offenlässt. Sylvie Schenk, 1944 in Frankreich geboren, ist mit «Maman» ein waghalsiges Unterfangen voll Schönheit und Temperament gelungen.
Heribert Leuchter spielt live dazu speziell für diese Texte komponierte Musik.
«‹Unsere Mutter, die sprach nur mit der Wäsche und mit Babys.› So habe ich es gerade zu meiner Schwester Pauline am Telefon gesagt. Mit welcher Stimme habe ich da gesprochen?»
Sylvie Schenk
Samstag, 12.15 Uhr, Burgbachkeller
Moderation: Theres Roth-Hunkeler
FRANCESCO MICIELI
«Plus 1,5 Grad Celsius»
verlag die brotsuppe, 2023
NOËLLE GOGNIAT
«So ist es eben»
verlag die brotsuppe, 2023
Die 1996 in Altdorf geborene Autorin und Illustratorin Noëlle Gogniat trifft auf den Autor Francesco Micieli, 1956 in Italien geboren. Als Mentor hat er die Entstehung von Gogniats Debüt «So ist es eben» begleitet: In einem Dorf, in dem der Föhn so erbarmungslos ist wie die lokale Tradition, verwahren sich die Dorfbewohner*innen mehr oder minder erfolgreich gegen Neues. Micielis Roman «Plus 1,5 Grad Celsius» erzählt vielstimmig von der drohenden Verwüstung auf unserem Planeten. Junge Menschen aus allen Erdteilen, die meisten geflüchtet, einige hier aufgewachsen, bringen ihre Besorgnis um das Fortbestehen der Erde zur Sprache. Was sie wollen: eine gute Welt für alle.
«Ein Satz steht schon. Wir wollen eine gute Welt für alle. Mit alle meinen wir alle!»
Francesco Micieli
«Im Dorf gibt es drei Bäckereien, die inzwischen alle dem gleichen Besitzer gehören.»
Noëlle Gogniat
Samstag, 13.30 Uhr, Burgbachkeller
Moderation: Britta Spichiger
KATHRIN BURGER
«Vor mir wird es Morgen»
rotpunktverlag, 2023
SARA WEGMANN
«Sırma»
Telegramme Verlag, 2023
Die Autorin und pensionierte Gymnasiallehrerin Kathrin Burger, 1949 geboren, trifft auf die 1985 geborene Autorin und Sozialanthropologin Sara Wegmann. Beide haben eben ihre Debüts publiziert. Als Kathrin Burger pensioniert wurde, musste sie, wie viele andere, mit dieser neuen Lebensphase zurechtkommen: viel Zeit, wenig Struktur; mehr Freiheit, weniger Halt; weniger Zukunft, mehr Erinnerungen. Sara Wegmanns Romanfigur Sırma wächst in Pakistan auf und erwirbt ihre Sprache vor dem Fernseher. In der Schweiz soll ihre «Sprachstörung» kuriert werden. Sara Wegmanns Debüt erzählt von der Sprachlosigkeit in der Familie und zwischen den Kulturen.
«Das Ansehen, das Aussehen, das Auftreten, alles nicht mehr wichtig.»
Kathrin Burger
«Wenn ich mal weg bin, bin ich weg. Wahrscheinlich habe ich gar nicht das Geld, um hierherzukommen. Und wohin sollte ich auch kommen?»
Sara Wegmann
Samstag, 14.45 Uhr, Burgbachkeller
Moderation: Thomas Heimgartner
GIANNA OLINDA CADONAU
«Feuerlilie»
Lenos, 2023
In einem abgelegenen Bergdorf lernt die Journalistin Vera einen jungen Fremden kennen. Sie schreibt an einem Artikel über rätoromanische Literatur, er hat ein altes Haus geerbt und versucht seine Kriegserinnerungen zu verbannen. Die beiden treffen sich zu Spaziergängen, essen zusammen in der Dorfbeiz und erzählen sich nach und nach von ihrer Vergangenheit. Kálmán erinnert Vera an ihre Schwester Sophia, die ihrerseits in einer eigenen Welt lebt. Gianna Olinda Cadonau, 1983 in Indien geboren und im Engadin aufgewachsen, erzählt mit starken Bildern von der Begegnung traumatisierter Menschen. Ein beeindruckender Debütroman, der 2022 mit dem Studer/Ganz-Preis ausgezeichnet wurde.
«Wenn sie durch eine Tür geht, achtet sie auf die Schwellen. Sie betritt sie nur, wenn es unbedingt sein muss.»
Gianna Olinda Cadonau
Samstag, 16.00 Uhr, Burgbachkeller
Moderation: Richard Vogt
Lesung: Miriam Japp
ZOLTÁN DANYI
«Rosenroman»
Suhrkamp, 2023
Dem Kriegsdienst entgangen, arbeitet der Erzähler auf der Rosenfarm seines Vaters. Trotz eines Handelsembargos transportiert er die Pflanzen ins europäische Ausland, die Angst mit selbstgesetzten Regeln bekämpfend. Jahre später werfen ihn eine schwere Krankheit und eine Beziehungskrise aus der Bahn. Zoltán Danyis meisterhafter Roman vollzieht die seelische und physische Selbsterforschung eines Menschen nach, der sich schreibend aus der Sackgasse seines Lebens herausarbeitet. Der Autor, 1972 als Angehöriger der ungarischen Minderheit in Serbien geboren, ist im Herbst 2023 Stipendiat der Landis & Gyr Stiftung in Zug.
Gespräch auf Englisch,
Zusammenfassung in Deutsch
«Ich stand am Fenster und wartete, dass die Sonne unterging, denn das war die Regel, und wenn ich nicht wollte, dass etwas Schlimmes geschah, musste ich warten, bis sie untergegangen war.»
Zoltán Danyi
Samstag, 17.15 Uhr, Burgbachkeller
Moderation: Mariann Bühler
HAMED ABBOUD
«Meine vielen Väter»
Korrespondenzen, 2023
Hamed Abboud verbindet Kulturen wie kein Zweiter: In seinem ersten auf Deutsch verfassten Buch erzählt er vom Aufwachsen in der syrischen Provinzstadt Deir al-Zor. Im Mittelpunkt steht der Vater, der mit besonderem Humor die Geschicke der Bäckerei und der Familie leitet. Entscheidende Fäden hält die Mutter in der Hand, die als «Ausbildungskreuzritterin» die Zimmerwände mit Lehrstoff bekritzelt und so die Wohnung zu einem «Matura-Trainingslager» macht. Hamed Abboud (*1987 in Deir al-Zor, Syrien), studierte in Aleppo und floh 2012 nach Ägypten. 2014 kam er nach Österreich, wo er heute in Wien lebt.
«Meistens schob ich das Fahrrad meines Vaters, während ich neben ihm ging, um seinen philosophischen Geschichten über Algorithmen oder Differentialrechnungen zu lauschen.»
Hamed Abboud
Samstag, 18.30 Uhr, Burgbachkeller
Moderation: Anna Chudozilov
DANIELA DRÖSCHER
«Lügen über meine Mutter»
Kiepenheuer & Witsch, 2022
In dieser Familie beherrscht ein Thema alles: das Körpergewicht der Mutter. Ist diese schöne, eigenwillige Frau zu dick? Muss sie abnehmen? Ja, das muss sie, findet ihr Ehemann und macht das Gewicht seiner Frau für alles verantwortlich, was ihm versagt bleibt: Beförderung, sozialer Aufstieg, Anerkennung in der Dorfgemeinschaft. Schonungslos und eindrücklich lässt Daniela Dröscher ihr kindliches Alter Ego diese Jahre durchleben. Ein kluger Roman über subtile Gewalt, aber auch über Verantwortung, Fürsorge und Selbstbestimmung. Daniela Dröscher (*1977), u.a. mit dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet, veröffentlichte zuletzt «Zeige deine Klasse. Die Geschichte meiner sozialen Herkunft» (2021).
«Ihr Körper blieb selbst in dieser letzten Umarmung auf Abstand. Ich spürte eine Art Rüstung. Eine Grenze, von der ich nicht wusste, ob sie zwischen mir oder ihr oder durch uns beide verlief.»
Daniela Dröscher
Samstag, 20.30 Uhr, Burgbachkeller
FRANCO SUPINO
mit Pino Masullo (Voce, Tamburello, Chitarra Battente) und Christian Hartmann (Kontrabass)
«Spurlos in Neapel»
Rotpunkt, 2022
Lesung mit Musik
Was wäre in Neapel, der Stadt seiner Eltern, aus ihm geworden? Nach dem Tod seines Vaters bricht der in der Schweiz geborene Erzähler auf in eine Stadt, deren Sprache er spricht, deren Gesetze ihm aber fremd sind. Unter den vielen Geschichten, die er vernimmt, lässt ihn eine nicht mehr los: die von Antonio Esposito, einem Kind aus Westafrika, das in eine Camorra-Familie aufgenommen wurde, eine kriminelle Karriere machte und spurlos verschwand. Franco Supino, 1965 geboren in Solothurn, präsentiert seinen neuesten Roman gemeinsam mit den Musikern Pino Masullo und Christian Hartmann als musikalische Lesung.
«Ich schämte mich meine ganze Kindheit lang für meine Herkunft, und das bedeutete: für meine Eltern. Immer wieder wurde ich an meine Minderwertigkeit erinnert …»
Franco Supino
«Bücherjahr»
Kurzlesungen von Mitgliedern des ISSV
Samstag, 10.00 Uhr
SILVIA GÖTSCHI
«Auf der schwarzen Liste des Himmels»
Cameo Verlag, 2021
Die Autorin hat ihr Hobby zum Beruf gemacht. Sie schreibt Kriminalromane und ist bekannt für ihre szenischen Lesungen.
Samstag, 10.15 Uhr
WALTER SCHÜPBACH
«Sebastian im Schnee»
Gedichte, DIE REIHE, Wolfbach Verlag Zürich, 2020
Der Autor, * in St. Erhard, studierte Germanistik und Anglistik und unterrichtete am Gymnasium Immensee Deutsch und Schultheater.
Samstag, 10.30 Uhr
FELIX RENNER
«Das unerträgliche Schwinden der Reflexion»
Bucher Verlag GmbH, 2020
Der Autor ist bekannt für seine Aphorismen. Er war bis zu seiner Pensionierung Ende 1999 als Jurist in der Staatskanzlei des Kantons Zug tätig.
Samstag, 11.00 Uhr
LEONOR GNOS
«HORIZONT 13»
bildfluss-Verlag, 2020
*1938 in Amsteg. Lehrdiplome der Deutschen und Französischen Sprache. Publiziert Lyrik und Prosa. Lebt seit 2010 in Marseille.
Samstag, 11.15 Uhr
CARLO VON AH
«Oskar» und «Dönni Wisi»
Kurzgeschichten, unveröffentlicht
*1940, Studium an ETH und Universität Zürich, publiziert Kriminalromane, historische Romane und Philosophisches.
Samstag, 11.15 Uhr
JUDITH STADLIN
«HÄSCHTÄÄG ZUNDEROBSI»
Zytglogge Verlag, 2020
Live-Literatin, Schauspielerin, Germanistin. Arbeitet für Bühne und Radio. Leitung Satz&Pfeffer-Lesebühne Zug.
Moderation: Daniel Annen